Korsika: GR20 Süd - 5 Tage von Vizzavona nach Quenza
Du willst komplett in Eigenregie – also mit Zelt und Proviant auf dem Rücken – den Südteil einer der anspruchsvollsten Wanderungen Europas erleben? Dann begleite mich auf fünf abwechslungsreichen Etappen des GR20 Süd: vom Bahnhof Vizzavona im Herzen Korsikas bis ins gemütliche Quenza im Südosten der Insel. Sei bei den GR20-Vorbereitungen dabei, plane An- und Abreise richtig – und vielleicht am wichtigsten: erfahre, was ich beim nächsten Mal anders machen würde.
Hinweis vorweg:
Aus Zeitgründen – ich musste eine gebuchte Fähre in Bastia erreichen – habe ich die Wanderung um einen Tag verkürzt. Statt wie üblich von der Site d’Asinao über Paliri nach Conca zu gehen,
habe ich den offiziellen Ausstieg nach Quenza gewählt. Die Tage 1 bis 4 folgen also komplett dem GR20, Etappe 5 deckt nur noch etwa die Hälfte ab.
Spoiler also zum Fazit: Plane besser einen Puffertag ein – oder, wenn es dir finanziell möglich ist, buche Fähre oder Flugzeug für die Weiterreise flexibel und spontan. Es lohnt sich!
Die Idee
Auf die Idee, den GR20 – oder zumindest einen Teil dieses legendären Wanderwegs – zu gehen, kam ich beim Schauen einer TV-Dokumentation. Die Bilder von Einsamkeit, wilder Natur und sportlicher Herausforderung haben mich sofort gefesselt. Das Vorhaben landete allerdings zunächst für ein paar Jahre im Hinterkopf. Denn zuerst stand mit der Kilimandscharo-Besteigung ein Jugendtraum auf der Liste, den ich mir erfüllen wollte.
Apropos Kilimandscharo: Ohne zu viel vorwegzunehmen – selbst der als „leichter“ geltende Südteil des GR20 hat mich deutlich mehr gefordert als der Kibo. Erstens, weil mir in Tansania alles bis auf den Tagesrucksack abgenommen wurde. Und zweitens, weil das Gelände am höchsten Berg Afrikas technisch schlicht weniger anspruchsvoll ist – dort fordert vor allem die Höhe auf den letzten Etappen.
Die Planung
Ich verbinde auf meinen Reisen gerne verschiedene Elemente. „Nur“ wandern kommt für mich genauso wenig infrage wie eine reine Kulturreise – oder erst recht ein Strandurlaub. Rund um den Kern „Wanderung“ plante ich also einen kurzen Aufenthalt in Marseille und eine kleine Interrail-Tour durch Norditalien. An dieser Stelle soll es aber allein um den Südteil des GR20 auf Korsika gehen.
Der Plan von der Abfahrt aus Frankfurt bis nach Bastia liest sich so:
- TGV von Frankfurt am Main nach Marseille (Tipps für Marseille)
Interrail-Ü27-Pass, Fahrzeit ab Frankfurt 7:50 Stunden
3 Übernachtungen: Hôtel Terminus Saint-Charles - Regionalzug von Marseille nach Toulon
Automatenticket, Fahrzeit zwischen 45 Minuten und 1 Stunde - Fähre nach Ajaccio mit Corsica Ferries
Buchung weit im Voraus über App, Fahrzeit ca. 11 Stunden
1 Übernachtung: Hotel Napoléon - Regionalzug von Ajaccio nach Vizzavona
Automatenticket, Fahrzeit ca. 1:15 Stunden - Wanderung von Vizzavona nach Conca (später Planänderung auf Quenza)
- Bus von Quenza nach Porto-Vecchio
Ticket beim Fahrer Bus
1 Übernachtung: Hotel Olmuccio - Bus von Porto-Vecchio nach Bastia
Ticket im Voraus über Rapides Bleues, Fahrzeit ca. 3 Stunden
1 Übernachtung: Bastia Room - Anschließend von Livorno per Zug über Bologna und Stresa am Lago Maggiore zurück nach Deutschland
Um die für mich passende Route auf dem GR20 Süd festzulegen, habe ich mir unzählige Tourenberichte durchgelesen, Etappen bei Komoot hochgeladen, verlängert, gekürzt, abgespeichert – und wieder gelöscht.
Wichtig bei der Planung in Komoot: Eine im Sauerland als „schwer“ klassifizierte Route entspricht nicht „schwer“ auf dem GR20!
Nach vielem Abwägen und einer ehrlichen Selbsteinschätzung – ich hatte kaum alpine Erfahrung – entschied ich mich für den Südteil des Weges. Vor allem, weil ich mit etwa 20 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken losziehen wollte. Und diese Kilos machen einen riesigen Unterschied – besonders an kurzen Kletterpassagen oder bei langen, ermüdenden Auf- und Abstiegen.
Die einzelnen Etappen habe ich mir aufs Smartphone geladen, um sie auf dem Trail jederzeit offline verfügbar zu haben. Als Alternative zu Komoot kann ich übrigens auch die App Bergfex empfehlen. Ich verlinke die Etappen am Ende jedes Abschnitts hier für dich.
Wirklich geholfen hat am Ende - ganz old school - der Trans-Korsika: GR 20 - Outdoor-Wanderführer von Erik Van der Perre. Das gut 220 Seiten starke Taschenbuch bietet übersichtliche Routenbeschreibungen samt GPS-Tracks, nennt alpine Alternativen und – ganz wichtig – beschreibt Ausstiegsmöglichkeiten aus dem GR20. Last but not least informiert das Buch über die Wasserquellen am Wegesrand. Denn so viel Wasser, wie du unterwegs brauchen wirst, kannst du unmöglich tragen.
Nach vielem Abwägen und einer ehrlichen Selbsteinschätzung - ich verfüge über relativ wenig alpine Erfahrung - entschied ich mich für den einfacheren Südteil. Insbesondere, weil ich nicht mit leichtem Gepäck, sondern mit 20 Kilogramm auf dem Rücken losziehen wollte. Und die - das habe ich am eigenen Leib erfahren - machen eine riesigen Unterschied!
Die Etappen der Wanderroute habe ich mir für Offline-Betrieb und Navigation gespeichert und heruntergeladen, um sie auf dem Trail jederzeit zur Verfügung zu haben. Als Alternative zu Komoot kann ich die App Bergfex empfehlen. Ich verlinke die Etappen auf diesem Dienst hier für dich.
Die Vorbereitung
Ein wichtiger Teil der Planung einer ambitionierten Wanderung ist, die eigene Leistungsfähigkeit objektiv (!) einzuschätzen. Reichen Fitness und Kraft aus, um einen schweren Rucksack über mehrere Stunden durchs alpine Gelände zu schleppen? Wie groß ist die Lust, nach einer anstrengenden Wanderung den Kocher anzuschmeißen, wenn nebenan der Hüttenwirt lecker kocht? Ist das vorhandene Equipment geeignet?
Um die erste Frage zu beantworten, startete ich mangels echter Berge eine Tour durch die besseren Hügel südlich der Ruhr. 18 Kilometer und 400 Höhenmeter später war ich ganz guter Dinge, die Anforderungen des GR20 Süd meistern zu können. Füße, Beine und Schultern schmerzten kaum, der neue Rucksack saß gut. Diese Erfahrung und meine allgemein recht gute Grundfitness reichten mir, um mich als GR20-tauglich einzuschätzen.
Ein im Nachhinein etwas naiver Rückschluss. Zwar hat am Ende – bis auf das Streichen der letzten Etappe – alles geklappt. Aber eine etwas intensivere Auseinandersetzung mit dem Gelände und ein paar Stunden mehr auf dem Stairmaster oder im Hochsauerland hätten mir bestimmt einige Schmerzen erspart. Denn: Streckenkilometer sind mit Höhenmetern leider nicht zu vergleichen …
Zur Hardware: Von früheren Wanderungen hatte ich vieles dabei, was für ein mehrtägiges Trekking obligatorisch ist. Was noch fehlte: ein mittelgroßer Wanderrucksack, ein leichtes Ein-Personen-Zelt sowie Kocher und Trekkingnahrung. Alle Utensilien, die ich letztlich mit auf die Reise genommen habe, findest du übrigens in meinem separaten Beitrag zur Packliste inklusive PDF-Download.
Die Anreise
Ich habe mich für die Anreise über Marseille beziehungsweise Toulon entschieden. Vom Bahnhof Saint-Charles in Marseille fahren stündlich mehrere Regionalzüge ins nahe gelegene Toulon. Die circa anderthalb Kilometer vom dortigen Bahnhof bis zum Fährterminal lassen sich problemlos zu Fuß bewältigen.
Da ich die Überfahrt am Tag gebucht hatte, sparte ich mir die Kosten für eine Kabine und machte es mir an Deck gemütlich. Ein bisschen mitgebrachter Rotwein und Baguette, ein Buch und Musik – was will man mehr? Natürlich gibt es an Bord auch Verpflegung in den verschiedenen Restaurants und Bistros.
Am Hafen von Ajaccio angekommen, ging es – wieder zu Fuß – zum Hotel Napoléon. Ich kann das zentral gelegene, komfortable Haus absolut empfehlen: Du kommst vom Hafen schnell dorthin und am nächsten Morgen ebenso bequem zum Bahnhof. Außerdem helfen das bequeme Bett und das reichhaltige Frühstück dabei, ausgeruht und gestärkt in die erste Etappe zu starten.
Durch die Wahl einer Überfahrt am Tage habe ich mir die Kosten einer Kabine gespart und es mir auf dem Deck der Pascal Lota gutgehen lassen. Ein wenig mitgebrachter Rotwein und Baguettes, ein Buch und Musik - was will man mehr? Daneben ist an Bord natürlich auch für Verpflegung in den verschiedenen Restaurants und Bistros gesorgt. Vom Hafen Ajaccios ging es vorbei an unzähligen nach dem ersten Kaiser der Franzosen benannten Straßen, Häusern und Geschäften zu meinem Hotel - Überraschung - Napoléon. Ich bin froh, mich für dieses zentral gelegene, komfortable Haus entschieden zu haben. Erstens war ich schnell da und auch wieder am Bahnhof, zweitens war das weiche Bett das letzte für ein paar Tage und drittens hat mich das reichhaltige Frühstück gut für die erste Etappe gestärkt.
Hinweis zu den Streckenprofilen
Bei der Planung der Etappen mit Komoot werden dir die Touren oft als „mittelschwer“ angezeigt. Was sie definitiv nicht sind – zumindest nicht im Vergleich zu mittelschweren Touren im Mittelgebirge!
Die Profile in den Apps erwecken häufig den Eindruck, als seien die Abschnitte eher flach. Doch das täuscht: Oft geht es ein paar Meter bergab, nur um sofort wieder steil anzusteigen. Diese kleinen Höhenunterschiede fallen im Maßstab der Apps oft unter den Tisch – machen aber vor Ort einen spürbaren Unterschied!
Hinzu kommt das unwegsame Gelände. Beides zusammen kann leicht zu Fehleinschätzungen führen. Mein Tipp: Nimm dir lieber etwas mehr Zeit oder plane eine kürzere Etappe ein. Denn völlig erschöpft am Tagesziel anzukommen, macht schlechte Laune – und lässt dich am nächsten Tag unausgeruht starten.
Etappe 1: Vizzavona - E Capanelle
Jetzt aber – los geht’s! Ein bisschen aufgeregt machte ich mich auf den Weg zum kleinen Bahnhof von Ajaccio. Das Ticket für den liebevoll TGV – Train à grande Vibration genannten Zug muss man dort ganz old school am Schalter kaufen, da es nicht über die SNCF-App erhältlich ist. Die landschaftlich reizvolle Fahrt durch den Süden Korsikas endet nach gut einer Stunde in Vizzavona, dem klassischen Ausgangspunkt für alle, die nur den Nord- oder Südteil des GR20 laufen möchten. Da ich mich für den Süden entschieden hatte, hieß es für mich ab jetzt: immer der Sonne entgegen.
Die Etappe von Vizzavona nach E Capannelle ist 14 Kilometer lang und hat es mit 920 Höhenmetern schon ordentlich in sich. Zum Vergleich: Meine Probetour bot 400 Höhenmeter auf 18 Kilometern. Am Anfang täuscht der GR20 hier allerdings noch ein bisschen Harmlosigkeit an: Gemächlich geht es auf breiten, gut begehbaren Waldwegen los. Der Anstieg: moderat. Nur der Rucksack – und mit zunehmend offenem Gelände auch die Hitze – machten mir zu schaffen. Doch dank des Reiseführers fand ich immer wieder Quellen mit klarem, eiskaltem Wasser. Eine echte Wohltat. Und so lecker!
Kurz vor dem Ziel zeigte mir der GR20 dann zum ersten Mal seine Zähne: knapp ein Kilometer durchgehend heftiger Anstieg auf unebenem Terrain aus Wurzeln und Geröll. Das ging ziemlich an die Nerven. Als Motivationshilfe diente mir ein etwas älterer Wanderer, der locker flockig an mir vorbeizog. Ich biss mich an ihn fest – und schaffte es dadurch deutlich schneller, als ich es allein wohl geschafft hätte, ins Ziel.
Cash oder Karte? Zahlen im Refuge
Auf dem GR20 gilt oft noch: Bargeld lacht! Ich konnte zwar in E Capanelle und im Refuge d’Asinao mit Karte zahlen – wusste das vorher aber nicht. Auf den anderen Hütten wurde ausschließlich bar kassiert.
Wichtig: Die Preise sind vergleichsweise hoch (Stand 2022):
- Platz für eigenes Zelt: ca. 7 €
- Großes Bier: ca. 7 €
- Dose Ravioli: ca. 4 €
Es sollte also unbedingt der ein oder andere Schein im Rucksack sein – vor allem, wenn du nicht sicher bist, ob die nächste Hütte Kartenzahlung anbietet.
Tipp: Zeltplätze und Betten kannst du im Voraus auf den Seiten des Parc naturel régional de Corse buchen und per PayPal bezahlen. Das entlastet dein Bargeld-Budget unterwegs.
Endlich angekommen war ich einfach nur happy, den Herausforderungen einigermaßen gewachsen gewesen zu sein, und belohnte mich mit ein paar (teuren!) Pietra-Bieren auf der Sonnenterrasse des Refuge. Der anschließende Zeltaufbau war ebenso unkompliziert wie die Zubereitung des Tüten-Mahls à la Boeuf Stroganoff. Über die kulinarische Erfahrung dieser „anderen Art“ breite ich lieber den Mantel des Schweigens … Zum Sattwerden hat’s gereicht, und müde war ich sowieso. Also: ab ins Zelt und voller Vorfreude auf den nächsten Tag!
ETAPPE 1
Von Vizzavona nach E Capannelle Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 14,5 Kilometer
- 922 Höhenmeter aufwärts, 250 abwärts
- maximale Steigung: 25 Prozent
- maximales Gefälle: 19 Prozent
- Profil: moderater Anstieg bis Kilometer 6, dann ziemlich eben und ab Kilometer 13 eher steil und unwegsam
Etappe 2: E Capanelle - Refuge de Prati
Erstaunlich gut erholt schälte ich mich am frühen Morgen aus meiner kleinen Behausung. Die Berge im goldenen Licht, die Luft klar und kühl – genau so hatte ich es mir erhofft! Tagesziel: das gut 18 Kilometer und 900 Höhenmeter entfernte Refuge de Prati.
Der Weg dorthin ist fast durchgehend mit Geröll übersät und lässt wenig Raum zum Abschalten oder „einfach genießen“. Der Pfad schlängelt sich entlang steiler Hänge, durch schattige Wälder, über weite Hochebenen und schmale Pässe – mitten durchs „Gebirge im Meer“. Vom Profil her der ersten Etappe ähnlich, forderte mich Tag zwei aber deutlich mehr: Zum einen ist er vier Kilometer länger, zum anderen steckte mir bereits ein Tag in den Beinen. Erst ein Tag!
Das Refuge de Prati liegt in einer weiten Mulde, von der aus man einen fantastischen Blick auf die Lagunen an der Ostküste und das offene Meer hat. Eine grandiose Aussicht, die die Strapazen der letzten Stunden fast vergessen ließ. Der dezente Hinweis des Hüttenwirts, ich befände mich nicht in Paris, machte die Hoffnung auf eine Internetverbindung allerdings zunichte. Aber ich hatte ja mein Buch und ein paar heruntergeladene Podcasts – für Unterhaltung vor dem Einschlafen war gesorgt.
Hochsommer auf dem GR 20
Ich habe mich bewusst für die heißeste Zeit des Jahres entschieden, um den GR20 zu gehen – um neben der körperlichen Belastung nicht auch noch Wind, Kälte und Regen fürchten zu müssen.
Aber Achtung: Auch auf dem Südteil schläfst du teils in über 1.800 Metern Höhe in exponierten Lagen. Wenn Wolken oder Nebel aufziehen oder der Wind stark weht, kann es schnell sehr kühl werden – oder sich zumindest so anfühlen.
- Für die Nacht: Schlafsack mit Komfortbereich 0 bis -5 °C einpacken.
- Tagsüber: Zwiebellook ist Pflicht – mal brennt die Sonne, mal wird’s frisch.
- Keine Sorge: Dicke Handschuhe oder Wintermütze brauchst du nicht.
Und was den Trubel angeht: Ich habe den GR20 selbst im Juli nicht als überlaufen empfunden. Klar, es ist nicht so einsam wie in den Tälern Swanetiens, aber niemand tritt dir auf die Füße – und gerade als Alleinreisender ergeben sich oft nette Gespräche mit anderen Wanderern.
Wofür leider auch gesorgt war: eine ziemlich ungemütliche Nacht.
Der auffrischende Wind ließ das Zelt wackeln, und die beachtliche Schräglage meiner kleinen Behausung sorgte dafür, dass ich ständig gegen die (Scheiß-)Zeltplane rollte. Kleiner Tipp:
Auf der Seite des Naturparks kann man Zeltplätze mit Plattformen buchen, die eine ebene Unterlage garantieren – während der Wanderung selbst waren diese jedoch bereits ausgebucht. Hinterher ist man schlauer.
(Außer dir – du bist es jetzt schon 😉.)
Das offene Gelände, der Wind und die Höhe sorgten außerdem für überraschend niedrige Temperaturen. Im Laufe der Nacht zog ich immer mehr an: lange Unterhose, Socken, Jeans, Fleecejacke … alles, was der Rucksack hergab. Kein besonders guter Mix für eine erholsame Nacht.
ETAPPE 2
Von E Capanelle zum Refuge de Prati Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 18,5 Kilometer
- 881 Höhenmeter aufwärts, 635 abwärts
- maximale Steigung: 30 Prozent
- maximales Gefälle: 26 Prozent
- Profil: bis Kilometer 2 steiler Abstieg, gefolgt von viel Auf und Ab bis Kilometer 13, dann bis 1 Kilometer vor dem Ziel steil bergan
Etappe 3: Refuge de Prati - Refuge Usciolu
Die Morningshow der Natur war an diesem Tag ein echter Hingucker: Über mir der blaue Himmel, unter mir das Wolkenmeer und hinter mir die Berge. Ein fantastisches Setting – und einer dieser Momente, für die es sich so sehr lohnt, eine Herausforderung wie den GR20 anzunehmen.
Ohne es zu wissen, hatte ich heute (haha) Bergfest: Tag 3 von 5. Ursprüngliches Ziel: die Bergerie de Bassetta, 18 Kilometer südöstlich. Doch schon bald wurde klar, dass diese Etappe es in sich hatte: Über steile Grate und Passagen, bei denen ich vorher nicht geglaubt hätte, dass sie Teil eines offiziellen Wanderwegs sind, ging es immer wieder zehn Meter runter – und zehn Meter wieder rauf. Laut fluchend stand ich vor riesigen Geröllfeldern, unter mannshohen Felsen und vor steilen Vorsprüngen. Wie bitte soll da noch der Nordteil aussehen?!
Manchmal wiesen mir andere Wanderer den besten Weg, manchmal musste ich selbst knobeln, wie ich weiterkomme. Die rot-weißen Markierungen dienten mir maximal als grobe Orientierung. Doch bei aller Unsicherheit – und hin und wieder auch Angst – war es einfach wunderschön. Der Arête des Statues, der Denkmalsgrat, bot unglaubliche Ausblicke auf die schroffe Bergwelt Korsikas und eine großartige Kulisse, weit weg von der Hektik der Stadt. Das Gefühl, die Schwierigkeiten zu meistern, machte mich glücklich – und ja, auch ein bisschen stolz.
Am Ende des Grats ging es dann noch einmal steil, aber technisch wenig anspruchsvoll bergab. Meine Füße brannten, und überhaupt fühlte ich mich ausgebrannt. Dabei hatte ich erst zehneinhalb von 18 Kilometern geschafft – nach über siebeneinhalb Stunden! Konnte ich es da wirklich noch vor Einbruch der Dunkelheit bis nach Bassetta schaffen? War die Verletzungsgefahr nicht zu groß?
Der an jeder staatlichen Hütte anwesende Guardien riet mir schließlich, lieber hier zu bleiben und dafür am nächsten Tag etwas länger zu gehen. „Die folgende Etappe sei nicht so hart.“ Der hat gut reden!
ETAPPE 3
Vom Refuge de Prati zum Refuge Usciolu Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 10,7 Kilometer
- 605 Höhenmeter aufwärts, 613 abwärts
- maximale Steigung: 34 Prozent
- maximales Gefälle: 24 Prozent
- Profil: relativ fordernder, aber kurzer Anstieg zu Beginn, dann langer Abstieg bis Kilometer 6 sowie etwa 2 Kilometer langer steiler Anstieg gefolgt von einem kurzen Abstieg
Etappe 4: Usciolu - Site d’Asinao
19 Kilometer bis zum Site d’Asinao. Oha. Aber was soll’s – auf geht’s, ab geht’s!
Gleich am Anfang ein kleiner Schreck: Mein Schlafsack ist weg! Einige Hundert Meter zurück finde ich das gute Stück in der Böschung – es hatte sich vom Rucksack gelöst. Was für ein Glück, dass
es nicht den Abhang hinuntergerollt ist! Die wenigen Meter der Suche ohne schweren Wanderrucksack haben mir ziemlich deutlich gezeigt, wie viel einfacher der GR20 mit nur einem Tagesrucksack
wäre – so, wie es bei organisierten Wanderreisen möglich ist.
Ein großer Teil der Etappe war dann wieder sehr gerölllastig und erforderte volle Konzentration. Aber – wie versprochen – immerhin relativ flach. Ganz anders als an den Tagen zuvor schlängelte sich der Weg durch grüne Auen und lichte Wälder. An einer Gabelung entschied ich mich, eine alpine Variante des GR20 unterhalb des Monte Incudine über den Bocca Stazzunara zu nehmen. Bis zum Pass – mit 2.025 Metern der höchste Punkt meiner Wanderung – lief alles ziemlich geschmeidig. Dafür hatten es die letzten Kilometer nochmal in sich.
Trinkwasser am GR 20
Wenig überraschend: Gerade im Hochsommer brauchst du auf dem GR20 viel Flüssigkeit – die 3 Liter, die du dabei hast, reichen meist nicht aus. Deshalb unbedingt die Strecke gut planen und die Frischwasserquellen nutzen, die im Reiseführer vermerkt sind. Achtung: Im Spätsommer können einige dieser Quellen versiegen – hier ist noch bessere Vorbereitung gefragt.
Die klaren Bäche am Weg haben mich öfter mal dazu verleitet, direkt daraus zu trinken oder Wasser zu entnehmen. Auch wenn mir nichts passiert ist: Das ist keine gute Idee! Du weißt nie, welches Tier oberhalb des Baches gerade welche Geschäfte erledigt …
Wasser nur an den Hütten und ausgewiesenen Quellen zapfen – so bist du auf der sicheren Seite.
Vom Pass aus sah ich das Refuge 400 Höhenmeter unter mir. Ganz sprichwörtlich: so nah und doch so fern. Im Schneckentempo ging es zweieinhalb Stunden mit bis zu 40 Prozent Gefälle hinab – immer mit der verdammten Hütte im Blick. Entnervt, fertig und durstiger als je zuvor – mein Wasser war seit über einer Stunde aufgebraucht – warf ich am Ziel alles von mir. Ich konnte nicht mehr.
Die Entscheidung stand endgültig fest: Ich würde am nächsten Tag den Ausstieg nach Quenza nehmen und so die letzten anderthalb Etappen des GR20 Süd auslassen. Ein bisschen enttäuscht, aber auch ein bisschen erleichtert, nur noch eine Nacht in Schräglage verbringen zu müssen. Zum Abschluss gönnte ich mir einen leckeren Linseneintopf auf der Terrasse der Hütte und führte nette Gespräche mit anderen Wanderern.
Mit einer Mischung aus Vorfreude auf mein spontan gebuchtes Hotel in Porto-Vecchio und Unzufriedenheit darüber, bei der Planung zu optimistisch gewesen zu sein, schlüpfte ich ein letztes Mal in den Schlafsack. Zum Glück war es hier auch wieder deutlich wärmer.
ETAPPE 4
Von Usciolu zur Site d’Asinao Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 19 Kilometer
- 714 Höhenmeter aufwärts, 903 abwärts
- maximale Steigung: 23 Prozent
- maximales Gefälle: 43 Prozent
- Profil: nach gut 3 Kiloeteern verhältnismäßig steiler Abstieg, dann einige Kilometer moderat oder flach, dann starker Anstieg zum Pass (Kilometer 16) sowie abschließend sehr steiler Abstieg zum Camp
Etappe 5: Etappe 5: Site d’Asinao - Quenza
Abwärts! Das war das Motto des letzten Tages auf dem GR20. 126 Metern Aufstieg standen satte 844 Meter Abstieg gegenüber. Die finalen 14 Kilometer führten größtenteils entlang des immer wieder zu passierenden Baches Ruisseau d’Asinao hinunter nach Quenza. Praktischerweise beschreibt der Reiseführer genau solche Ab- und Ausstiegsmöglichkeiten – für den Fall, dass Pläne sich ändern oder es einfach nicht mehr geht.
Mein Blick schweifte immer wieder leicht wehmütig auf die andere Talseite zu den Felsen am Col de Bavella, einem der Wahrzeichen des GR20. Eigentlich sollte ich jetzt dort sein. Aber bei jedem Schritt erinnerten mich Schultern und Füße daran, dass es irgendwie auch reicht. Der Weg zur Ziellinie war insgesamt wenig spektakulär, nur das Überqueren des Flusses brachte hin und wieder ein bisschen Action ins Spiel. Nach etwas mehr als fünf Stunden war ich zurück in der Zivilisation.
Im von einem korsischen Separatisten geführten Café U Centro gönnte ich mir einen großen Burger mit Pommes und ließ bei drei, vier Bieren die wenigen Stunden bis zur Abfahrt des Busses nach Porto-Vecchio verstreichen.
ETAPPE 5
Von der Site d'Asinao nach Quenza Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 14 Kilometer
- 126 Höhenmeter aufwärts, 844 abwärts
- maximale Steigung: 15 Prozent
- maximales Gefälle: 28 Prozent
- Profil: immer moderater werdender Abstieg, etwa bei der Hälfte der Strecke kurzer, harmloser Anstieg, schließlich ganz seicht abwärts bis zur Dorfmitte
Die letzten Kilometer bis zur Hotelanlage brachte mich der Busfahrer tatsächlich in seinem Privatwagen. Überwältigt von so einer Geste – ein Taxi war nicht aufzutreiben, und die Hotelbetreiber wollten mich nicht an der Haltestelle abholen – genoss ich im leicht Club-Las-Piranhas-haften Hotel Olmuccio Pool, Essen und Getränke, bevor es am nächsten Mittag mit dem Bus weiter nach Bastia ging.
Alles, was jetzt noch vor mir lag, ist dann … Teil einer anderen Geschichte.
Fazit
Insgesamt überwiegt auf jeden Fall das Positive. Ich denke, ich habe in der Planung vieles richtig gemacht, um genau das Erlebnis zu haben, das ich mir gewünscht hatte: einige Tage alleine in der Natur zu verbringen – und dabei alles dabeizuhaben, was ich brauche.
Negativ bleibt natürlich, dass ich es nicht bis nach Conca geschafft habe. Mein ursprüngliches Ziel, den GR20 Süd komplett zu absolvieren, habe ich also verfehlt. Lange habe ich darüber nachgedacht, was mir wichtiger ist: das auf mich selbst gestellte Wandern auf diesem anspruchsvollen Weg – oder der Haken hinter „GR20 Süd gewandert“. Mittlerweile bin ich zu dem Schluss gekommen, dass mir das Erste bedeutender ist.
Den Südteil hätte ich mit weniger Gepäck oder einem zusätzlichen Tag Puffer mit Sicherheit geschafft. Umso ärgerlicher also, dass ich diesen Tag nicht eingeplant hatte – und so nicht flexibel reagieren konnte.
Mein Tipp zum Abschluss: Plane mindestens einen Tag mehr ein, als du denkst, dass du brauchst. Bastia ist eine wunderschöne Stadt, in der man am Ende problemlos auch einen Tag länger bleiben kann, ohne sich zu langweilen.
Und noch ein allerletzter Pro-Tipp: Verzichte auf das Travellunch Lightweight Food. 😄
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