Korsika : GR20 Süd - 5 Tage von Vizzavona nach Quenza
Du möchtest komplett in Eigenregie - also mit Zelt und Proviant auf dem Rücken - den Südteil einer der strapaziösesten Wanderungen Europas erwandern? Dann begleite mich auf fünf abwechslungsreiche Etappen des GR20. Vom Bahnhof Vizzavona im Herzen Korsikas bis nach Quenza im Südosten der Insel. Sei bei den Vorbereitungen dabei, plane die An- und Abreise richtig und - vielleicht am wichtigsten - erfahre, was ich beim nächsten Mal anders machen würde.
Aus Zeitgründen - es galt eine gebuchte Fähre in Bastia zu erreichen - habe ich die Wanderung um einen Tag verkürzt. Von der Site d’Asinao ging es nicht wie wie üblich über Paliri nach Conca gewandert, sondern über einen offiziellen Ausstieg nach Quenza gewählt. Die tage 1 bis 4 folgen also komplett dem GR20, Etappe 5 nur noch zur Hälfte. Spoiler zum Fazit: Plane lieber einen Tag Puffer ein oder buche Fähre/Flugzeug für die Weiterreise spontan, wenn es dir finanziell möglich ist.
Die Idee
Auf die Idee, den GR20 - oder einen Teil des legendären Wanderweges - zu gehen, bin ich beim Schauen einer TV-Dokumentation gekommen. Die Bilder von Einsamkeit, aber auch die sportliche Herausforderung haben es mich sofort gefesselt. Das Vorhaben landete aber erst einmal für ein paar Jahre im Hinterkopf. Denn mit einer Kilimandscharo-Besteigung war zuerst ein noch Traum aus Jugendzeiten umzusetzen.
Apropos Kilimandscharo. Ohne zu viel zu verraten - selbst der als leichter geltende Südteil des GR20 hat mich viel mehr gefordert als der Kibo. Erstens, weil mir in Tansania alles bis auf den Tagesrucksack abgenommen wurde. Zweitens, weil das Gelände am höchsten Berg Afrikas einfach deutlich weniger anspruchsvoll ist und einen in erster Linie die Höhe auf den letzten Etappen fordert.
Die Planung
Ich verbinde gerne verschiedene Elemente auf einer Reise. “Nur” zu wandern kommt für mich genauso wenig infrage, wie eine reine Kulturreise oder - erst recht ein Strandurlaub. Rund um den Kern "Wanderung" baute ich mir also einen kurzen Aufenthalt in Marseille und eine kleine Interrail-Tour durch Norditalien. An dieser Stelle soll es aber allein um den Südteil des GR20 auf Korsika gehen.
Der Plan von der Abfahrt aus Frankfurt bis nach Bastia liest sich so:
- TGV von Frankfurt am Main nach Marseille (Tipps für Marseille)
Interrail-Ü27-Pass, Fahrzeit ab Frankfurt 7:50 Stunden
3 Übernachtungen: Hôtel Terminus Saint-Charles - Regionalzug von Marseille nach Toulon
Automatenticket, Fahrzeit zwischen 45 Minuten und 1 Stunde - Fähre nach Ajaccio mit Corsica Ferries
Buchung weit im Voraus über App, Fahrzeit ca. 11 Stunden
1 Übernachtung: Hotel Napoléon - Regionalzug von Ajaccio nach Vizzavona
Automatenticket, Fahrzeit ca. 1:15 Stunden - Wanderung von Vizzavona nach Conca (später Planänderung auf Quenza)
- Bus von Quenza nach Porto-Vecchio
Ticket beim Fahrer Bus
1 Übernachtung: Hotel Olmuccio - Bus von Porto-Vecchio nach Bastia
Ticket im Voraus über Rapides Bleues, Fahrzeit ca. 3 Stunden
1 Übernachtung: Bastia Room - Abschließend von Livorno per Zug über Bologna und Stresa am Lago Maggiore zurück nach Deutschland
Um die für mich passende Route auf dem GR20 Süd festzulegen, habe ich mir unzählige Tourenberichte durchgelesen, Etappen bei Komoot hochgeladen, verlängert, gerkürzt, abgespeichert und wieder gelöscht. Wichtig bei der Planung in Komoot: Eine im Sauerland als “schwer” klassifizierte Route entspricht nicht “schwer” auf dem GR20!
Wirklich geholfen hat am Ende - ganz old school - der Trans-Korsika: GR20 - Outdoor-Wanderführer von Erik Van der Perre. Das gut 220 Seiten starke Werk im Taschenformat bietet übersichtliche Routenbeschreibungen samt GPS-Tracks, nennt alpine Alternativen und - ganz wichtig - auf fast allen Etappen Ausstiegsmöglichkeiten aus dem GR20. Last but not least informiert das Buch über die am Wegesrand liegenden Wasserquellen. Denn so viel Wasser, wie du auf deinen Etappen brauchen wirst, wirs du nicht tragen können.
Nach vielem Abwägen und einer ehrlichen Selbsteinschätzung - ich verfügte über kaum alpine Erfahrung - entschied ich mich für den Südteil des Wegs. Vor allem, weil ich mit etwa 20 Kilogramm auf dem Rücken losziehen wollte. Und diese Kilos machen einen riesigen Unterschied. Ganz besonders an kurzen Kletterpassagen, oder bei langen, ermüdenden Auf- und Abstiegen.
Die einzelnen Etappen habe ich mir auf mein Smartphone heruntergeladen, um sie auf dem Trail jederzeit auch ohne Internet zur Verfügung zu haben. Als Alternative zu Komoot kann ich die App Bergfex empfehlen. Ich verlinke die Etappen jeweils am Ende jedes Abschnitts hier für dich.
Die Vorbereitung
Ein wichtiger Part der Planung einer ambitionierten Wanderung ist es, die eigene Leistungsfähigkeit objektiv (!) einzuschätzen. Reichen Fitness und Kraft aus, einen schweren Rucksack über mehrere Stunden durch alpines Gelände zu schleppen? Wie groß ist die Lust, nach einer anstrengenden Wanderung den Kocher anzuschmeißen, wenn nebenan der Hüttenwirt lecker kocht? Ist das Equipment vorhanden - und vor allem geeignet?
Um die erste Frage zu beantworten, startete ich - in Ermangelung echter Berge - eine Tour durch die besseren Hügel südlich der Ruhr. 18 Kilometer und 400 Höhenmeter später war ich ganz guter Dinge, die Anforderungen des GR20 Süd meistern zu können. Füße, Beine und Schultern schmerzten kaum, der neue Rucksack saß gut. Diese Erfahrung und eine allgemein recht gute Grundfitness reichten mir, mich als GR20-tauglich zu mustern.
Ein im Nachhinein etwas naiver Rückschluss. Zwar hat am Ende, bis auf das Streichen der letzten Etappe, alles geklappt. Doch eine etwas intensivere Auseinandersetzung mit dem Gelände und die ein oder andere Stunde mehr auf dem Stairmaster oder im Hochsauerland hätten mir bestimmt einig Schmerzen erspart. Denn: Streckenkilometer sind mit Höhenmetern leider nicht zu vergleichen...
Zur Hardware: Von zurückliegenden Wanderungen hatte ich vieles am Start, was für ein mehrtägiges Trekking obligatorisch ist. Es fehlten: ein mittelgroßer Wanderrucksack, ein leichtes Ein-Personen-Zelt sowie Kocher und Trekkingnahrung. Alle von mir mit auf die Reise mitgenommenen Utensilien findest du im separaten Beitrag zur Packliste samt PDF-Download.
Die Anreise
Ich habe mich für die Anreise über Marseille beziehungsweise Toulon entschieden. Vom Bahnhof Saint-Charles starten jede Stunde mehrere Regionalzüge ins nahe gelegene Toulon. Die circa anderthalb Kilometer vom dortigen Bahnhof bis zum Fährterminal lassen sich dann problemlos zu Fuß bewältigen.
Durch die Überfahrt am Tage habe ich mir die Kosten für eine Kabine gespart und es mir an dem Deck gutgehen lassen. Ein wenig mitgebrachter Rotwein und Baguettes, ein Buch und Musik - was will man mehr? Daneben ist an Bord natürlich auch für Verpflegung in den verschiedenen Restaurants und Bistros gesorgt. Am Hafen Ajaccios angekommen ging es - wieder zu Fuß - zum Hotel - Überraschung - Napoléon. Ich kann das zentral gelegene, komfortable Haus absolut empfehlen. Du kommst vom Hafen schnell hin und am nächsten Morgen auch wieder zum Bahnhof. Außerdem helfen das bequeme Bett und das reichhaltige Frühstück dabei, ausgeruht und gestärkt auf die erste Etappe zu starten.
HINWEIS ZU DEN STRECKENPROFILEN
Bei der Planung der Etappen mit Komoot werden einem die Touren teil als "mittelschwer" angezeigt. Was sie definitiv nicht sind. Zumindest nicht im Vergleich zu mittelschweren Touren im Mittelgebirge. Die Profile in den Apps erwecken häufig den Eindruck, als wären diese abschnittsweise eher flach. Das stimmt jedoch oft nicht. Häufig geht es wenige Meter hinab, um sofort wieder ein paar Meter aufwärts zu gehen! Diese Meter bleiben aufgrund des Maßstabs im Streckenprofil unentdeckt, machen aber den Unterschied!
Dazu kommt das unwegsame Gelände. Beides zusammen vermittelt einen falschen Eindruck des Streckenprofils und kann zu Fehlern in der Planung führen. Nimm dir also lieber etwas mehr Zeit oder verkürze die Etappe. Denn jeden Abschnitt völlig fertig zu beenden macht schlechte Laune und lässt dich wenig ausgeruht in den nächsten Tag starten.
Etappe 1: Vizzavona - E Capanelle
Jetzt aber - los geht’s! Ein wenig aufgeregt machte ich mich auf den Weg zum kleinen Bahnhof von Ajaccio. Das Ticket für den liebevoll TGV - Train à grande Vibration - genannten Zug muss man dort ganz old school am Schalter kaufen, da es nicht über die App der SNCF erhältlich ist. Die lanschaftlich reizvolle Fahrt durch den Süden Korsikas endet nach gut einer Stunde in Vizzavona, dem klassischen Ausgangspunkt für alle, die nur den Nord- oder nur den Südteil des GR20 laufen möchten. Da ich mich für den Süden entschieden habe, hieß es für mich ab jetzt: immer der Sonne entgegen.
Die Etappe von Vizzavona nach E Capannelle ist 14 Kilometer lang und bietet mit 920 Höhenmetern einiges an Beinarbeit. Nochmal zum Vergleich: Meine Probetour bot 400 Höhenmeter auf 18 Kilometern. Am Anfang täuscht der GR20 hier noch an, ganz harmlos zu sein. Gemächlich geht es auf breiten, gut begehbaren Waldwegen los. Der Anstieg: moderat. Nur der Rucksack und - mit zunehmend offenem Gelände - die Hitze machten mir zu schaffen. Doch - dem Reiseführer sein Dank - fanden sich immer wieder Quellen mit klarem, eiskalten Wasser. Eine echte Wohltat. Und so lecker!
Kurz vor dem Ziel zeigte mir der GR20 zum ersten Mal seine Zähne. Knapp ein Kilometer durchgehend ziemlich heftiger Anstieg auf unebenem Terrain aus Wurzeln und Geröll geht hier ziemlich an die Nerven. Als Motivation diente mir ein etwas älterer Wanderer, der locker flockig an mir vorbeizog. Ich biss mich an ihn und schaffte es so deutlich schneller als ohne diese Lokomotive ins Ziel.
Cash oder Karte? Zahlen im Refuge
Auf dem GR 20 gilt oft: Bargeld lacht! Ich konnte in E Capanelle und im Refuge d'Asinao mit Karte zahlen, was ich vorher jedoch nicht wusste. Auf den anderen beiden Plätzen wurde ausschließlich Bargeld akzeptiert. Durch die vergleichsweise hohen Preise auf den Hütten (Platz für eigenes Zelt: 7 Euro, großes Bier: 7 Euro, Dose Ravioli: 4 Euro (Stand 2022)), sollte also schon der ein oder andere Schein in der Tasche sein. Vor allem, wenn man nicht weiß, ob in der nächste Hütte mit Karte gezahlt werden kann. Zeltplätze und Betten in der Hütten können im Voraus auf den Seiten des Parc naturel régional de Corse- gebucht und per PayPal bezahlt werden, was das Bargeld-Budget etwas entlastet.
Endlich angekommen war ich happy, den Herausforderungen einigermaßen gewachsen gewesen zu sein und belohnte mich mit ein paar (teuren!) Pietra-Bieren auf der Sonnenterrasse des Refuge. Der anschließende Zeltaufbau war ebenso unkompliziert, wie die Zubereitung des Tüten-Mahls à la Boeuf Stroganoff. Über die kulinarische Erfahrung der anderen Art, die diese Mahlzeit darstellte, breite ich aber lieber den Mantel des Schweigens… Zum Satt werden hat’s gereicht und müde war ich eh. Also ab ins Zelt und auf den nächsten Tag gefreut.
ETAPPE 1
Von Vizzavona nach E Capannelle Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 14,5 Kilometer
- 922 Höhenmeter aufwärts, 250 abwärts
- maximale Steigung: 25 Prozent
- maximales Gefälle: 19 Prozent
- Profil: moderater Anstieg bis Kilometer 6, dann ziemlich eben und ab Kilometer 13 eher steil und unwegsam
Etappe 2: E Capanelle - Refuge de Prati
Erstaunlich gut erholt schälte ich am frühen Morgen aus meiner kleinen Behausung. Die Berge im goldenen Licht, die Luft klar und kühl. So hatte ich es mir erhofft! Tagesziel: das über 18 Kilometer und 900 Höhenmeter entfernte Refuge de Prati.
Der Weg dorthin ist fast immer mit Geröll übersät und lässt nur wenig Zeit abzuschalten und die Natur beim Laufen zu genießen. Der Pfad schlängelt sich entlang steiler Hänge, durch schattige Wälder, über weite Hochebenen und über schmale Pässe durch das “Gebirge im Meer”. Vom Profil her dem Vortag ähnlich, forderte mich die zweite Etappe deutlich mehr. Zum einen ist sie vier Kilometer länger, zum anderen steckt mir ein Tag in den Beinen. ERST einen Tag!
Das Refuge de Prati liegt in einer weiten Mulde, von der aus sich ein fantastischer Blick auf die Lagunen an der Ostküste und das offene Meer bietet. Eine grandiose Aussicht, die die Strapazen der letzten Stunden vergessen machte. Der dezente Hinweis des Hüttenwirts, mich nicht in Paris zu befinden, machte die Hoffnung auf eine Internetverbindung je zunichte. Aber ich hatte ja mein Buch und den ein oder anderen Podcast heruntergeladen. Für Unterhaltung vor dem Einschlafen war also gesorgt. Wofür auch gesorgt war: eine im Vergleich zu gestern ziemlich ungemütliche Nacht.
Hochsommer auf dem GR20
Ich habe mich bewusst für die heißeste Zeit des Jahres entschieden, um auf den GR20 zu gehen. Ich wollte vermeiden, neben den körperlichen Belastungen auch noch Wind und Wetter ausgesetzt zu sein. Aber Achtung: Auch auf dem Südteil des Treks schläft man teilweise in über 1.800 Metern Höhe in exponierten Lagen. Und auch bei der Wanderung selbst kann es, wenn Wolken und Nebel aufziehen oder der Wind stark weht, ziemlich kühl werden. Oder sich zumindest so anfühlen. Für die Nacht empfehle ich dir daher einen Schlafsack mit Komfortbereich 0 oder -5°C. Am Tage lautet das Motto wie so oft: Zwiebellook. Denn wo es eben noch frisch war, brennt wenige Minuten später die Sonne vom Himmel und umgekehrt. Dicke Handschuhe oder Wintermütze sind aber nicht mehr angesagt.
Ich habe zwar keinen Vergleich, aber ich habe den Weg auch im Juli nicht als überfüllt empfunden. Klar, die Täler Swanetiens sind leerer, aber auf die Füße tritt einem hier keiner und gerade als Alleinreisender hat man die Möglichkeit mit anderen Wanderern ins Gespräch zu kommen.
Der auffrischende Wind ließ das Zelt wackeln und die beachtliche Schräglage des tragbaren Heims ließ mich ständig gegen die (Scheiß-) Zeltplane rollen. Kleiner Tipp: Man kann auf der Seite des Naturparks Zelte auf Plattformen, die eine ebene Unterlage garantieren, im Voraus buchen. Während der Wanderung waren diese jedoch schon ausgebucht. Hinterher ist man schlauer (außer dir, du bist es jetzt schon 😉 ). Das offene Gelände, der Wind und die Höhe sorgten für überraschend niedrige Temperaturen. Im Laufe der Nacht zog ich immer mehr an: lange Unterhose, Socken, Jeans, Fleecejacken… Alles in allem auf jeden Fall kein besonders guter Mix für eine erholsame Nacht.
ETAPPE 2
Von E Capanelle zum Refuge de Prati Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 18,5 Kilometer
- 881 Höhenmeter aufwärts, 635 abwärts
- maximale Steigung: 30 Prozent
- maximales Gefälle: 26 Prozent
- Profil: bis Kilometer 2 steiler Abstieg, gefolgt von viel Auf und Ab bis Kilometer 13, dann bis 1 Kilometer vor dem Ziel steil bergan
Etappe 3: Refuge de Prati - Refuge Usciolu
Die Morningshow der Natur war dann allerdings ein echter Hingucker! Über mir der blaue Himmel, unter mir das Wolkenmeer und hinter mir die Berge. Ein fantastisches Setting und einer der Momente, für die es sich so sehr lohnt, eine Herausforderung wie den GR20 anzunehmen.
Ohne, dass ich es bereits wusste, hatte ich heute also (haha) Bergfest. Tag 3 von 5. Ursprüngliches Ziel: die Bergerie de Bassetta, 18 Kilometer südöstlich. Über steile Grate und Passagen, bei denen ich vorher nicht geglaubt hätte, dass sie Teil eines offiziellen Wanderwegs sind, ging es immer wieder zehn Meter runter und zehn Meter wieder rauf. Laut fluchend stand ich vor riesigen Geröllfeldern, unter mannshohen Felsen und vor steilen Vorsprüngen. Wie soll da bitte der Nordteil aussehen?!
Manchmal wiesen mir andere Wanderer den besten Weg, manchmal musste ich selbst überlegen, wie ich weiterkomme. Die rot-weißen Markierungen dienten mir maximal als Orientierung. Doch bei aller Unsicherheit, hin und wieder auch Angst, war es auch wunderschön. Der Arête des Statues, der Denkmalsgrat, bietet unglaubliche Ausblicke auf die schroffe Bergwelt Korsikas und eine großartige Kulisse weit weg von der Hektik der Stadt. Das Gefühl, die Schwierigkeiten des Weges zu meistern, tat sein Übriges, machte mich glücklich und auch ein wenig stolz. Am Ende des Grats ging es dann noch einmal steil, aber technisch wenig anspruchsvoll, bergab. Meine Füße brannten und überhaupt fühlte ich mich ausgebrannt. Dabei hatte ich erst zehneinhalb von 18 Kilometern geschafft. Nach über siebeneinhalb Stunden! Konnte ich es da wirklich noch vor Einbruch der Dunkelheit bis nach Bassetta schaffen? War die Verletzungsgefahr nicht zu groß? Der an jeder staatlichen Hütte anwesende Guardien riet mir, lieber nicht weiterzumachen, um dafür am nächsten Tag etwas länger zu gehen. Die folgende Etappe sei nicht so hart. Der hat gut reden!
ETAPPE 3
Vom Refuge de Prati zum Refuge Usciolu Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 10,7 Kilometer
- 605 Höhenmeter aufwärts, 613 abwärts
- maximale Steigung: 34 Prozent
- maximales Gefälle: 24 Prozent
- Profil: relativ fordernder, aber kurzer Anstieg zu Beginn, dann langer Abstieg bis Kilometer 6 sowie etwa 2 Kilometer langer steiler Anstieg gefolgt von einem kurzen Abstieg
Etappe 4: Usciolu - Site d’Asinao
19 Kilometer bis zum Site d'Asinao. Oha. Aber was soll’s. Auf geht’s, ab geht’s. Am Anfang ein kurzer Schreck: Mein Schlafsack ist weg! Einige Hundert Meter zurück finde ich das gute Stück in der Böschung. Es hatte sich vom Rucksack gelöst. Was für ein Glück, dass es nicht den Abhang hinunter gerollt ist! Die wenigen Meter der Suche ohne schweren Wanderrucksack haben mir ziemlich krass verdeutlicht, wie viel einfacher der GR20 nur mit Tagesrucksack zu gehen wäre, was auf organsierten Wanderreisen möglich ist.
Ein großer Teil der Etappe war dann wieder sehr gerölllastig und erforderte einiges an Konzentration. Aber, wie versprochen, relativ flach. Ganz anders als die Tage zuvor, schläneglte sich der Weg durch grüne Auen und lichte Wälder. An einer Gabelung entschied ich mich, eine alpine Variante des GR20 unterhalb des Monte Incudine über den Bocca Stazzunara zu nehmen. Bis zum Pass - mit 2.025 Metern der höchste Punkt meiner Wanderung - lief es alles ziemlich geschmeidig. Dafür hatten es die letzten Kilometer dann aber nochmal in sich.
TRINKWASSER AM GR 20
Wenig überraschend braucht man gerade im Hochsommer eine Menge Flüssigkeit für eine Etappe. Da reichen die 3 Liter, die man dabei hat, nicht aus. Es heißt also, die Strecke gut zu planen und auf Frischwasserquellen zu achten, die im Reiseführer vermerkt sind. Ich habe gelesen, dass diese im Spätsommer teilweise versiegt sein sollen. In diesem Falle ist natürlich eine noch bessere Voraussicht nötig. Bei mir war jedoch ausreichend Wasser vorhanden.
Die klaren Bäche entlang des Weges haben mich dazu verleitet, immer mal wieder direkt aus ihnen zu trinken oder Wasser zu entnehmen. Auch wenn mir nichts passiert ist, ist das keine gute Idee! Man weiß nie, welches Vieh etwas weiter oben das Gewässer für welche Geschäfte nutzt. Also, so verlockend es auch ist, Wasser nur an den Hütten kaufen oder aus Quellen entnehmen!
Vom Pass aus sah ich das Refuge 400 Höhenmeter unter mir. Ganz sprichwörtlich "so nah und doch so fern". Im Schneckentempo ging es zweieinhalb Stunden mit bis zu 40 Prozent Gefälle hinab. Immer die verdammte Hütte im Blick. Entnervt, fertig und durstig wie nie - mein Wasser war seit einer Stunde aufgebraucht - warf ich am Ziel alles von mir. Ich konnte nicht mehr. Die Entscheidung war endgültig gefallen: Ich würde am nächsten Tag den Ausstieg nach Quenza nehmen und so die letzten anderthalb Etappen des GR20 Süd verpassen. Ein wenig enttäuscht, aber auch ein wenig erleichtert, nur noch eine Nacht in Schräglage verbringen zu müssen. Zum Abschluss gönnte ich mir einen leckeren Linseneintopf auf der Terrasse der Hütte und führte nette Gespräche mit anderen Wanderern. Mit einer Mischung aus Vorfreude auf mein spontan gebuchtes Hotel in Porto-Vecchio und Unzufriedenheit, bei der Planung zu optimistisch gewesen zu sein, schlüpfte ich ein letztes Mal in den Schlafsack. Und zum Glück war es hier auch wieder deutlich wärmer.
ETAPPE 4
Von Usciolu zur Site d’Asinao Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 19 Kilometer
- 714 Höhenmeter aufwärts, 903 abwärts
- maximale Steigung: 23 Prozent
- maximales Gefälle: 43 Prozent
- Profil: nach gut 3 Kiloeteern verhältnismäßig steiler Abstieg, dann einige Kilometer moderat oder flach, dann starker Anstieg zum Pass (Kilometer 16) sowie abschließend sehr steiler Abstieg zum Camp
Etappe 5: Etappe 5: Site d’Asinao - Quenza
Abwärts! Das war das Motto des letzten Tages auf dem GR20. 126 Metern Auf- standen 844 Meter Abstieg gegenüber. Die 14 finalen Kilometer führten zum großen Teil entlang des immer wieder zu passierenden Baches Ruisseau d’Asinao nach Quenza. Praktischerweise beschreibt der Reiseführer immer wieder solche Ab- und Ausstiegsmöglichkeiten, für den Fall, dass Pläne sich ändern oder es einfach nicht mehr geht.
Mein Blick schweifte immer wieder leicht wehmütig auf die andere Talseite zu den Felsen am Col de Bavella, eines der Wahrzeichen des GR20. Eigentlich sollte ich jetzt dort sein. Aber bei jedem Schritt erinnerten mich Schultern und Füße daran, dass es irgendwie auch reicht. Der Weg zur Ziellinie war insgesamt wenig spektakulär und nur das Überqueren des Flusses brachte hin und wieder etwas Action ins Spiel. Nach etwas mehr als fünf Stunden war ich zurück in der Zivilisation. Im von einem korsischen Separatisten geführten Café U Centro gönnte ich mir einen großen Burger mit Pommes und ließ bei drei bis vier Bieren die wenigen Stunden bis zur Abfahrt des Busses nach Porto-Vecchio verstreichen.
ETAPPE 5
Von der Site d'Asinao nach Quenza Navigation und GPX bei Bergfex
- Länge: 14 Kilometer
- 126 Höhenmeter aufwärts, 844 abwärts
- maximale Steigung: 15 Prozent
- maximales Gefälle: 28 Prozent
- Profil: immer moderater werdender Abstieg, etwa bei der Hälfte der Strecke kurzer, harmloser Anstieg, schließlich ganz seicht abwärts bis zur Dorfmitte
Die letzten Kilometer zur Hotelanlage brachte mich der Busfahrer tatsächlich in seinem Privatwagen. Überwältigt von so einer Geste - ein Taxi war nicht zu bekommen und die Hotelbetreiber wollten mich nicht an der Haltestelle abholen - genoss ich im leicht Club-Las-Piranhas-haften Hotel Olmuccio Pool, Essen und Getränke, um am nächsten Mittag den Bus nach Bastia zu nehmen. Alles, was jetzt noch vor mir lag, ist dann Teil einer anderen Geschichte.
Fazit
Insgesamt überwiegt auf jeden Fall das Positive. Ich denke, ich habe in der Planung viel richtig gemacht, um genau das Erlebnis zu haben, das ich mir gewünscht hatte: alleine einige Tage in der Natur zu verbringen und dabei alles bei mir zu haben, was ich brauche. Negativ ist natürlich, dass ich es nicht nach Conca geschafft habe. Mein Ziel, den GR20 Süd zu absolvieren, habe ich also nicht erreicht. Ich schwankte lange, ob mir das auf mich selbst gestellte Wandern auf diesem anspruchsvollen Weg oder der Haken an "GR20 Süd gewandert" wichtiger ist. Mittlerweile komme zu dem Schluss, dass das Erste für mich bedeutender ist. Den Südteil zu wandern hätte ich mit weniger Gepäck und/oder einem Tag mehr Zeit mit Sicherheit geschafft. Umso ärgerlicher also, dass ich diesen einen Tag Puffer nicht eingeplant habe und so nicht flexibel reagieren konnte.
Mein Tipp zum Abschluss also: Plane mindestens einen Tag mehr ein, als du denkst, dass du brauchst. Bastia ist eine super schöne Stadt, in der man am Ende auch einen Tag länger bleiben kann, ohne sich zu langweilen. Und noch ein allerletzter Pro-Tipp: Verzichte auf das Travellunch Lightweight Food 😄
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