Kaisers Zeiten - deutsche Kolonialarchitektur in Daressalam

Du bist in Tansania und möchtest neben der Serengeti, Sansibar oder den Bergen auch mal etwas anderes erleben? Dann ist Daresssalam vielleicht das Richtige für Dich! Nach unserer Tour auf den Kilimadscharo haben wir uns anstelle eines Strandaufenthalts für ein paar Tage in der ehemaligen Haupt- und heute noch immer mit Abstand größten Stadt des Landes entschieden. Daressalam genießt nicht unbedingt den besten Ruf, was den Unterhaltungswert für Touristen angeht, und doch lassen sich hier und in der Umgebung ein paar spannende Dinge erleben. Dazu gehört in meinen Augen auch, nach den Spuren der deutschen Kolonialzeit Ausschau zu halten.

Ehemaliges Kommando der Kaiserlichen Schutztruppe in Daressalam
ehemaliges Kommando der Kaiserlichen Schutztruppe in Daressalam

Die deutschen Herrscher haben sich in ihrer ostafrikanischen Kolonie mit Sicherheit nicht mit Ruhm bekleckert. Auch wenn viele, auch junge Tansanier noch heute die deutsche Zeit ob ihrer infrastrukturellen Errungenschaften preisen. Man denke nur an den Maji-Maji-Aufstand, bei dem von 1905 bis 1907 geschätzt 120.000 Menschen den Tod fanden. Darunter 15 Europäer. Erst im November 2023 bat Bundespräsident Steinmeier bei seinem Besuch in Tansania um Vergebung für die Verbrechen der Deutschen in ihrer größten Kolonie. Die im Zuge der Niederschlagung des Aufstandes zu anthropologischen Zwecken nach Deutschland verbrachten Hunderten von Schädeln sollen in naher Zukunft aus den Kellern der Charité nach Tansania zurückgeführt werden.

Trotz allem sind die übrig gebliebenen Bauten aus der Zeit ab 1891 für Geschichts- und Architekturinteressierte spannende Relikte jener Epoche. Die in Tansania als „deutsche Architektur“ klassifizierten Strukturen können es zwar allein aufgrund ihrer geringen Zahl nicht mit denen in Swakopmund oder Tsingtau aufnehmen. Trotzdem sind sie etwas Besonderes. Denn unter anderem die klimatischen Bedingungen Ostafrikas führten zu einer einzigartigen Mischung von deutschen Stilelementen mit einheimischen Komponenten, wie offenen Veranden und Innenhöfen. Anders als etwa in Deutsch-Südwestafrika, dessen oft kühle Küstenregion mitteleuropäische Bauweise erlaubt.

Erinnerungskultur kolonialer Vergangenheit

Mich interessiert die deutsche Kolonialgeschichte samt ihrer Spuren in den betreffenden Ländern. Sie übt eine gewisse Faszination auf mich auf. Gleichzeitig ist mir klar, dass diese Geschichte in erster Linie aus Untersrückung, Ausnutzung und erzwungener- aus europäischer Sicht - Zivilisierung besteht. Darüber hinaus hat die willkürliche Grenzziehung in Afrika zu Konflikten geführt, die den Kontinent noch heute schwer belasten und in seiner Entwicklung bremsen.

Das Projekt Dekoloniale setzt sich seit 2020 kritisch mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus und seinen Folgen auseinander, bietet Führungen, Filmreihen und vieles mehr zu diesem noch immer zu wenig beachteten Thema an.

Die meisten Zeugnisse befinden sich entlang Sokoine Drive und Kivukoni Road (ehemals Kaiserstraße und Wilhelmsufer) und lassen sich bequem zu Fuß erschließen. Zu Beginn lohnt sich ein Besuch des Dar es Salaam Centre for Architectural Heritage (DARCH) in der alten Boma. In dem ab 1867 vom Sultan von Sansibar Sayyid Madschid bin Said al-Busaidi (der Stadt und Küste 1888 an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft verpachtete) errichteten Haus zeigt eine moderne Dauerausstellung das architektonische Erbe und die Entwicklung Daressalams, während die Dachterrasse mit kalten Getränken und einem schönen Ausblick über die Innenstadt lockt.

Informationstafel zur deutschen Kolonialzeit im DARCH
Ausstellung des DARCH
Ausblick vom Dach der Old Boma auf die Bucht
Auf dem Dach der Old Boma

Kaiserliches Bezirksamt - heute: City Council

Das ehemalige Bezirksamt an der Einmündung der Morogoro Road in den Sokoine Drive befindet sich direkt neben der Old Boma und beherbergt heute den Sitz des Stadtrats von Daressalam. 1903 erbaut, bot das Gebäude - neben Dienstzimmern - einst Wohnungen für den Bezirksamtmann und ledige Beamte. Das Haus vereint einheimisch-arabische Architektur mit deutschen Stilelementen.

Daressalam City Council im Haus des ehemaligen Bezirksamts
Daressalam City Hall und City Council
Das Haus als Kaiserliches Bezirksamt
Kaiserliches Bezirksamt

Katholische Missionskirche - heute: Saint Joseph Cathedral

Die neugotische Kirche wurde von 1897 bis 1902 von Mitgliedern der Benediktinerkongregation von St. Ottilien errichtet und 1905 geweiht. Cassian Spiß aus St. Jakob am Arlberg, der erste Apostolische Vikar, wurde gemeinsam mit jeweils zwei Ordensbrüdern und -schwestern am 14. August 1905 Opfer des Maji-Maji-Aufstands. Ihre Gebeine liegen im Seitenschiff der Kathedrale begraben. Die Buntglasfenster stammen aus der noch heute bestehenden Bayerischen Hofglasmalerei München.

Blick vom Dach der Old Boma auf die katholische Kathedrale
Blick vom Dach der Old Boma auf die katholische Kathedrale
Einheit der deutschen Schutztruppe aus weißem Offizier und schwarzen Askaris in der Nähe der heutigen Kathedrale
Deutscher Offizier und einheimische Askaris vor der Missionskirche
Grabplatte für Missionare in der Kirche
Grabplatte in der Kirche
Fassade der Saint Joseph's Cathedral
Fassade der Saint Joseph's Cathedral
Detail eines Bleiglasfensters aus der Hofglasmalerei München
Münchener Bleiglasfenster

Handelshaus Devers - heute: Karimjee Jivanjee Building

Eigentümer dieses Hauses war der Kaufmann Paul Devers aus Perleberg in Brandenburg. Dieser vermarktete vor Ort koloniale Produkte und aus Deutschland importierte Güter. Nebenbei vertrat der umtriebige Geschäftsmann die Schifffahrtslinie Messageries Maritimes zwischen Sansibar und Marseille, kaufte Kautschukpflanzungen, war Kurator der Sparkasse und saß im Bezirksrat der Stadt. Das Handelshaus "Traun, Stürken & Devers" blieb bis zur britischen Invasion im 1. Weltkrieg erfolgreich, während Devers am 29. Januar 1917 in der Schlacht bei Utete fiel.

Das Gebäude, in dem Toyota Tanzania eine Filiale betreibt, befindet sich heute im Besitz der Karimjee-Familie. Die Unternehmensgruppe der Familie besteht bereits seit 1825, leistet wohltätige Arbeit in den vielen Gemeinden des Landes und setzt sich für die Bildung junger Tansanier ein.

Karimjee Jivanjee Building
Karimjee Jivanjee Building
Warenhaus Devers
Warenhaus Devers
Die Post und das ehemalige Warenhaus Devers in der Zeit der britischen Mandatsverwaltung
Post und ehemaliges Warenhaus Devers in der Zeit der britischen Mandatsverwaltung

Wie im letzten Bild zu sehen, stand bzw. steht direkt neben dem Geschäftshaus ein weiteres, im Kern altes Gebäude. Nämlich das Postamt, das hier schon seit über 100 Jahren ansässig ist. Auf dem nächsten, vom einstigen Standort des Kaiser-Wilhelm-Denkmals aufgenommenen, Foto ist es hinter der großen Palme versteckt. Um es als kolonialzeitliches Gebäude zu identifizieren, braucht man aber schon Spezialwissen, das wir nicht hatten. Wenn man es aber weiß, erkennt man noch die neugotischen Fensterbögen und die zugemauerten Balustraden in den Obergeschossen. Eine aktuelle Ansicht findet sich hier.

Straßenkreuzung in Daressalam zur Kolonialzeit
Platz vor dem Karimjee Jivanjee Building (ganz rechts) - der "Bustani ya Posta"

Evangelische Kirche - heute: Azania Front Lutheran Church

Die evangelisch-lutherische Kirche wurde 1889/99 mit Elementen des bayerischen Heimatstil errichtet. So finden sich rote Ziegeldächer, Fliesen und Baldachine über den neugotischen Fenstern. Der Altar aus Tropenholz trägt - in Anspielung auf den Namen der Stadt ("Haus des Friedens") - die Inschrift „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ aus dem Johannes-Evangelium. Der Begriff "Azania" wurde zu Zeiten des Römischen Reiches für die Küste südlich des Horns von Afrika verwendet. Der Landesname Tansania setzt sich aus Tanganjika, Sansibar und Azania zusammen.

Turm Azania Front Lutheran Church
Azania Front Church heute...
Vollansicht der evengelischen Kirche zur Kolonialzeit
...und einst.
Innenraum der heutigen Azania Front Lutheran Church
Bis auf den Ventilator...
Inneraum der evengelischen Kirche zur Kolonialzeit
...keine Veränderung.

Deutscher Klub - heute: Court of Appeal of Tanzania

Zwischen Banc of Africa und dem Hochhaus des Hyatt Hotels, befindet sich das Gebäude des Court of Appeal. Trotz einiger Umbauten hat sich das Gebäude des Deutschen Klubs - gerade im Obergeschoss - sein Äußeres aus dem Eröffnungsjahr 1904 weitgehend bewahrt. Der Klub diente der deutschen Gesellschaft als Ort des Austauschs und der Unterhaltung. So konnte an jedem Dienstag Konzerten gelauscht werden oder - wie der Chefredakteur der Deutsch-Ostafrikanische Zeitung Heinrich Pfeiffer in seinen Memoiren "Bwana gazetti - als Journalist in Ostafrika" zu berichten weiß - ritualisiert und in "vorschriftsmäßiger Menge" Whiskey-Soda genossen werden. Man veranstaltete Tees, Soupers und Diners, verabredete sich für Ausfahrten, Segeltouren und Tennispartien. Die Räumlichkeiten des Klubs boten, neben dem Klubzimmer für Konversation und Spiel, auch Gästezimmer an.

Court of Appeal of Tanzania
Court of Appeal of Tanzania
Deutscher Klub Daressalam
Deutscher Klub Daressalam

Kommando der Kaiserlichen Schutztruppe und Offizierskasino

Kurz hinter der Stelle, an der sich die Kivukoni Road gen Südosten wendet, befinden sich Wohn-, Verwaltungs- und Militärbauten aus dem ersten oder zweiten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts. Die Gebäude weisen gut erhaltene Kolonnaden und schattenspendende, überdachte, früher offene Balkone auf. Sie beherbergen heute verschiedene tansanische Regierungsinstitutionen.

Gegenüber des ehemaligen Kommandos findet man die Treppe zum Pier für den Gouverneur. Von diesem ist jedoch nichts mehr erhalten.

Verwaltungsgebäud in Kolonialgebäuden
Verwaltungsgebäude der Surveys and Mapping Division, des National Bureau of Statistics und des Tanzania Immigration Departments
Kommando der Kaiserlichen Schutztruppe und Offizierskasino
Kommando der Kaiserlichen Schutztruppe und Offizierskasino

Verwaltungsgebäude Nr. 2 und Bezirksgericht - heute: High Court

Das Haus der heutigen High Courts gehört zu den erhaltenen Beispielen der von der Altonaer Firma J. A. Schmidt in Deutschland vorgefertigten Montagebauten aus Stahlgerüst und Holzfachwerk. Im oberen Bereich finden sich umlaufende Veranden. Dieser auskragende Bereich fand sich auch beim - im zweiten Bild im Hintergrund zu erkennenden - Verwaltungsgebäude Nr. 2 von 1891/92, das als Gericht genutzt wurde und wird. Dort jedoch ohne die Säulen im Erdgeschoss.

Gebäude des High Court mit gut erkennbarer Fachwerk- und Gerüstarchitektur
Gebäude des High Court mit gut erkennbarer Fachwerk- und Gerüstarchitektur
Verwaltungsgebäude Nr. 2 und Bezirksgericht für Daressalam
Verwaltungsgebäude Nr. 2 und Bezirksgericht für Daressalam

Neben diesen erhaltenen Bauwerken ist noch das Ocean Road Cancer Institute zu nennen, das Kaiserliche Gouvernements-Krankenhaus zurückgeht und baulich sehr gut erhalten ist. Wir haben es leider nicht mehr geschafft, uns die heute einzige Tumor-Klinik Tansanias anzusehen. Die große Anlage befindet sich außerhalb der natürlichen Hafeneinfahrt Daressalams, bereits am offenen Indischen Ozean. Ein weiterer erhaltener Bau, den wir nicht gesehen und nicht gefunden haben, ist der Bahnhof der Stadt. Seit August 2024 verkehren von hier moderne Bahnen auf der Normalspur von Daressalam in die Hauptstadt Dodoma. Bis 2026 soll die Strecke bis nach Kigoma am Tanganjika-See führen. Somit wäre nach über 120 Jahren die Meterspur der Tanganikabahn ersetzt worden.

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